Von Tagelöhnerinnen zu Lokführerinnen – Ein langer Kampf um Gleichberechtigung
Heute ist es selbstverständlich, dass Frauen in allen Bereichen der Eisenbahn arbeiten – sei es als Lokführerin, Ingenieurin oder im Management. Doch der Weg dahin war lang und mühsam. Die ersten Frauen in der Eisenbahnbranche mussten sich ihren Platz hart erkämpfen, oft unter schwierigsten Bedingungen. Eine von ihnen war Clara Jaschke, die als eine der ersten Eisenbahnerinnen in Deutschland für die Rechte von Frauen in der Branche kämpfte.
Clara Jaschke wurde vermutlich 1848 in Schlesien geboren, in eine Zeit, in der Frauen kaum berufliche Perspektiven außerhalb des Haushalts hatten. Ihr Vater arbeitete als Stationsvorsteher bei der Anhaltinischen Eisenbahn, was ihr einen frühen Einblick in die Welt der Bahn ermöglichte. Doch Frauen war es damals nicht gestattet, regulär bei der Eisenbahn zu arbeiten. Erst 1873 durfte sie als eine der ersten vier Frauen im heutigen Berliner Ostbahnhof (damals Schlesischer Bahnhof) eine Tätigkeit aufnehmen – allerdings nur als Tagelöhnerin ohne feste Anstellung. Einem Zustand, mit dem sich Clara Jaschke nicht abfinden will.
Gemeinsam mit anderen Eisenbahnerinnen reichte sie mehrere Petitionen beim Preußischen Landtag ein. Ihr größter Erfolg kam 1898, als Frauen offiziell als Beamtinnen in den Eisenbahndienst aufgenommen werden durften – jedoch nur unter der Bedingung, dass sie unverheiratet blieben. Mit der Ehe sah das damalige Rollenverständnis die Frau wieder am Herd.
Clara Jaschke kämpfte bis zu ihrem Tod am 3. Januar 1912 für die Gleichstellung der Frauen im Bahnwesen und legte damit den Grundstein für die späteren Erfolge ihrer Nachfolgerinnen.
Die Rolle der Frauen während der Weltkriege
Der Erste Weltkrieg brachte eine Wende: Plötzlich war es normal, dass Frauen als Schaffnerinnen, Stellwerkerinnen oder Aufseherinnen arbeiteten – und das erstmals in Uniform. Die Berufsbezeichnungen blieben jedoch männlich, man sprach von „Frau Schaffner“.
Im Zweiten Weltkrieg erreichte die Zahl der Eisenbahnerinnen einen Höchststand: Ende 1943 waren mindestens 190.000 Frauen in der Bahnbranche tätig. Doch nach Kriegsende verloren viele wieder ihre Arbeitsplätze, da die Stellen vorrangig mit zurückkehrenden Männern besetzt wurden. Ein Unterschied zeigte sich zwischen Ost und West: Während Frauen in der DDR weiterhin ermutigt wurden, in der Bahn zu arbeiten, durften sie in der Bundesrepublik erst ab 1971 als Lokführerinnen arbeiten.
Ein blinder Fleck der Geschichtsforschung
Trotz ihrer wichtigen Rolle ist die Geschichte der ersten Eisenbahnerinnen bis heute wenig erforscht. Historikerinnen und Historiker stoßen oft erst bei gezielten Nachforschungen auf die Spuren dieser Frauen. Besonders die Lebensgeschichte von Clara Jaschke zeigt, wie mutig und beharrlich Frauen für ihre Rechte kämpfen mussten – und welchen Grundstein sie für zukünftige Generationen gelegt haben.
Heute sind Frauen aus der Bahnbranche nicht mehr wegzudenken. Doch der Kampf um echte Gleichberechtigung geht weiter – ganz im Sinne von Pionierinnen wie Clara Jaschke.